A-Z der Augengesundheit

Kindesalter - häufigste Sehstörungen

Kinder können im Gegensatz zu Erwachsenen ihre Sehprobleme nicht artikulieren, sie sind das Sehen nicht anders gewöhnt. Nur durch augenärztliche Untersuchungen, beginnend mit dem Mutter-Kind-Pass können Fehlsichtigkeit, Schielen und organische Augenerkrankungen rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Damit können Eltern ihrem Kind einen guten Start ins Leben garantieren, denn: Gutes Sehen ist Lebensqualität!

Wie funktioniert das Sehen?

Die Funktion des Auges wird häufig mit der einer Kamera verglichen. Hornhaut (= starres Objektiv) und Linse (= Zoomobjektiv) brechen die Lichtstrahlen und erzeugen eine Abbildung auf der Netzhaut (= Film/Chip).

Sind die Brechkraft dieses optischen Systems und die Augenlänge exakt aufeinander eingestellt, so sehen wir scharfe Bilder. Ist die Lichtbrechung zu stark oder zu schwach, oder ist die Augenlänge zu kurz oder zu lang, resultieren Fehlsichtigkeit wie Weit- oder Kurzsichtigkeit.

Das kindliche Gehirn kann Fehlsichtigkeit teilweise ausgleichen. Sind sie aber zu hoch und werden die Kompensationsmechanismen überschritten, dann ermüden die Kinder, sie verlieren die Aufmerksamkeit und die Konzentration und klagen über Kopfschmerzen. Eltern sollten daher besonders auf erste Anzeichen achten.

Häufigste Sehstörungen bei Kindern:

  • Weitsichtigkeit (Hypermetropie)
    Das kindliche Auge ist in der Regel ein weitsichtiges, kürzeres Auge. Kinder können eine Weitsichtigkeit bis ca. 3 Dioptrien mit verstärkter Akkommodation (= Abkugelung der Augenlinse, Zoomfunktion, Brechkrafterhöhung) kompensieren. Die visuellen Informationen werden auf der Netzhaut scharf abgebildet. Wird eine höhere Weitsichtigkeit nicht mit einer Brille korrigiert, drohen schlechte visuelle Entwicklung, Schielen und subjektive Beschwerden wie Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen.
    Durch das Körper- und Augenwachstum entwickeln sich die Augen bis ins Volksschulalter zu normalsichtigen Augen. Augenlänge und Brechkraft von Hornhaut und Linse sind perfekt aufeinander abgestimmt und erzeugen mühelos eine exakte Abbildung auf der Netzhaut.
  • Kurzsichtigkeit (Myopie)
    Auf Grund von Vererbung und unseren heutigen Sehgewohnheiten – viel Naharbeit, besonders an elektronischen Medien und wenig Aufenthalt im Freien, wo der Blick in die Ferne schweifen kann – können die Augen weiter wachsen und werden kurzsichtig. Die Lichtbrechung ist im Verhältnis zur Augenlänge zu stark. Das Sehen in der Ferne ist verschwommen, in der Nähe aber ohne Akkommodation gut. Die Kinder können nicht mehr von der Tafel abschreiben und verlieren die Freude an Freizeitaktivitäten im Freien.
    Andererseits kann die intensive Beschäftigung in der Nähe, z. B. die stundenlange Handy-Nutzung zu einer übermäßigen Naheinstellung der Augen und verminderter Entspannung beim Blick in die Ferne führen. Werden bei der Brillenverordnung keine Augentropfen zur Akkommodationsentspannung gegeben, besteht die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche zu starke myope Brillen bekommen und in einen Teufelskreis der immer stärkeren Brille geraten.
  • Hornhautverkrümmung (Astigmatismus)
    Mit Weit- oder Kurzsichtigkeit ist häufig eine nicht exakte Krümmung der Hornhaut kombiniert. Im Idealfall entspricht der zentrale Bereich der Hornhaut dem Schnitt einer Kugel – die Hornhaut ist in allen Radien gleichmäßig gekrümmt. Bei einer Hornhautverkrümmung ist die Hornhaut in einer Richtung flacher, in der anderen Richtung stärker gekrümmt. Die Bilder, die im Gehirn ankommen, sind keine exakt scharfen sondern verschwommene Abbildungen.
  • Naheinstellung (Akkommodation und Konvergenz)
    Um in der Nähe gut zu sehen, müssen wir die Scharfstellung (den Autofokus) auf das Sehobjekt einstellen – wie das Zoomen beim Fotoapparat. Zusätzlich müssen sich die Augenachsen im Sehobjekt treffen, d. h. die Augen müssen nach innen zusammengeführt werden (= Konvergenz), damit wir nicht doppelt sehen.
    Die Evolution hat unsere Augen nicht für stundenlange Naharbeit geschaffen. Diese Naheinstellungsreaktion ist bei manchen Kindern von Natur aus zu schwach angelegt und ermüdet rasch. Kinder können, wenn sie ausgeruht sind, die Energie für die Akkommodation und die Konvergenz aufbringen, ermüden aber sehr rasch, machen Fehler, verlieren die Lust an jeglicher Naharbeit bis hin zur totalen „Leistungsverweigerung".

Erste Anzeichen von augenbedingten Störungen:

Bei Kindern im Kleinkindalter:

  • Schielen, ev. auch nur zeitweise
  • Häufiges Stolpern
  • Schiefhalten des Kopfes
  • Weißer Reflex in Pupille

Im Kleinkindalter gibt es nur sehr wenige klar erkennbare Hinweise. Wichtig sind daher die Vorsorgeuntersuchungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes!

Bei Kindern im Vorschul- oder Schulalter:

  • Leistungsabfall bei visueller Anforderung
    • Lesen – v.a. klein Gedrucktes
    • Schreiben – v.a. beim Abschreiben von der Tafel (Entfernungswechsel)
    • Rechnen – v.a. bei Textaufgaben
  • Fehlerhäufigkeit und Müdigkeit bei längerer Naharbeit
  • Leseunlust, - verweigerung, nachlassendes Leseverständnis
  • Konzentrations,- und Aufmerksamkeitsschwächen
  • Kopf,- und Bauchschmerzen
  • Augenschmerzen, - jucken, -kratzen, -tränen, anstrengendes Sehen
  • Verschwommenes Sehen, Doppelbilder, hüpfende Bilder, Zeilenverlust
  • Zunahme der Beschwerden unter Zeitdruck

Siehe auch Beitrag: „Sehschwächen als Ursache für Lernprobleme" (Dr. Gruber)

Wie läuft die Untersuchung bei der:dem Augenärzt:in ab?

  • Bestimmung der Sehschärfe für Ferne und Nähe mit unterschiedlichen Sehzeichen, je nach Alter und Schulkenntnissen
  • Untersuchungen, die die Entwicklung der Zusammenarbeit (binokuläres Sehen) der Augen sowie des räumlichen Sehens (Stereosehen) bestimmen
  • Bestimmung des latenten Schielwinkels (fälschlich Winkelfehlsichtigkeit genannt)
  • Bestimmung der Fähigkeit der Augen, sich auf die nahe Lesedistanz einzustellen (Akkommodation)
  • Bei Auftreten von Kopfschmerzen führt der:die Augenärzt:in eine genauere Untersuchung des Sehnervens durch, wie z.B. eine Gesichtsfelduntersuchung
  • bei einer genauen augenärztlichen Untersuchung ist es notwendig, die Augen einzutropfen, um den exakten Sehfehler zu bestimmen. Dies ist eine sehr wichtige und die einzige Methode, um „versteckte" Dioptrien nachzuweisen.
  • Bei eingetropften Augen wird überdies auch der Augenhintergrund beurteilt. Dies ist ein wichtiger Teil der augenärztlichen Untersuchung, um neurologische Ursachen für eine allfällige Sehverschlechterung festzustellen und ggfls. auch eine:n Fachärzt:in für Neurologie hinzuzuziehen

Eltern sollten das Zeitfenster beachten!

Bewusste visuelle Wahrnehmung findet im Gehirn statt. In den ersten zehn Lebensjahren entwickeln sich die Sehzentren und verknüpfen sich mit den akustischen, sprachlichen und motorischen Zentren, damit wir Gesehenes und Gehörtes aussprechen bzw. niederschreiben können. Frühkindliche Entwicklungsstörungen sowie Störungen der visuellen und akustischen Informationsaufnahme beeinträchtigen die Reifung dieser Zentren und deren Verbindungsbahnen. Daher ist es besonders wichtig, in diesen ersten Lebensjahren des Kindes auch auf die Korrekturen von Sehschwächen oder Augenerkrankungen zu achten!

Empfehlungen zur Prävention

Neben regelmäßigen augenärztlichen Kontrollen und den bisher genannten Punkten sollten Kinder sich so viel wie möglich im Freien aufhalten und gleichzeitig die Zeiten der Naharbeit reduzieren.

Eine Information der ÖOG: Fachgruppenbeirat Wien